Eine international angelegte UN-Simulation auf Englisch nur mit deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Region – kann das funktionieren?
Nach einer grandiosen Eröffnungsveranstaltung, fünf Konferenztagen mit teils heftigen Debatten und langem Ringen um Kompromisse und nach einer Generalversammlung, an deren Ende einige Resolutionen stehen, bejahen wohl alle Beteiligten diese Frage.
Bei der UN-Simulation MUNOG am Goldberg-Gymnasium (GGS) werden die Kompetenzen, die für demokratische Prozesse notwendig sind – wie Kompromissfähigkeit, Perspektivwechsel, profunde inhaltliche Kenntnis der verhandelten Themen und sprachliche Fertigkeiten – geschult. Dieses Jahr kam die Netzwerkbildung vor Ort ganz konkret hinzu, denn die Kontakte unter den acht teilnehmenden Schulen sind intensiviert bzw. neu geknüpft worden. Dazu trug sicher auch die gute Atmosphäre und Kommunikation auf allen Ebenen bei, die Ralph Ongherth, Lehrer und Mitglied des Organisationsteams am GGS, herausstreicht.
Eine Konferenz mit internationalen Gästen war pandemiebedingt leider nicht möglich.
Nachdem OB Dr. Bernd Vöhringer und Dr. Veronika Knüppel, Schulleiterin des GGS, bereits bei der Eröffnungsveranstaltung die Relevanz der regionalen Vernetzung und Zusammenarbeit betont hatten, um an demokratischen Prozessen direkt vor der eigenen Haustür mitwirken zu können, stellte Simon Zimmermann als Gastredner sein Projekt vor, das ebenfalls aus einem persönlichen Gespräch mit seinem heutigen Projektpartner entstand – bei einer gemeinsamen Autofahrt. Das Sozialprojekt Centre YaBana in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) verbindet freie Bildung mit wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Silke Pock, als Lehrerin am GGS ebenfalls Teil des Organisationsteams von MUNOG und Mitbegründerin der Simulation, berichtet vom beeindruckten jungen Publikum: „Zu hören, wie aus einer zufälligen Begegnung eine Bäckerei, eine Schule und ein tragfähiges Konzept für andere Projekte entstehen kann, das ist schon sehr inspirierend.“
Über die „ernsthafte Arbeit und die hohe Qualität der Redebeiträge in den Gremien“ freute sich dann auch Karoline Wedekind, diesjährige Generalsekretärin der Konferenz. Die Verbindung zur realen Welt sieht sie in der Bedeutung der diskutierten Themen, wie z.B. der Bekämpfung globaler Pandemien im WHO (Weltgesundheitsorganisation) oder der Wiederverwertung von Plastikverpackungen in der Klimarahmenkonferenz UNFCCC. Hier konnte auch eine Resolution verabschiedet werden. Besonders eindrücklich war für Karoline Wedekind in den Gremien immer wieder der Umgang mit konträren Positionen, beispielsweise zwischen den USA und dem Iran im DISEC (Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit), die in ihrem Komitee über den Umgang mit dem Einsatz neuer Technologien für die Kriegsführung debattierten.
Auch in den anderen Gremien wurden große Themen der Weltpolitik verhandelt und die „Chairs“ (Schüler*innen, die ein Gremium leiteten), hoben immer wieder das „enorme Faktenwissen, gute Vorbereitung und großes Interesse“ ihrer Delegierten hervor. So wurde beispielsweise zum Thema der Teilung Jerusalems im Security Council auf Antrag der Delegierten viel länger als geplant verhandelt.
Cynthia Binder, Fabian Moroff und Mia Wellmann lobten als Vorsitzende der Generalversammlung auch die gute Atmosphäre in den Komitees. Oliver Holderried, Gemeinschaftskundelehrer am Schickardt-Gymnasium Herrenberg, der eine fünfköpfige Delegation vorbereitet und begleitet hat, kommentiert schmunzelnd: „In meinem Unterricht ist es meistens nicht so ruhig wie bei der Komiteearbeit bei MUNOG!“ Er findet die Ernsthaftigkeit beachtlich, mit der hier an komplexen Weltproblemen gearbeitet wurde, ebenso wie die Fähigkeit, sich in andere Länderperspektiven
hineinzudenken. Neben der Beschäftigung mit der Schwierigkeit demokratischer Prozesse ist für ihn ein ganz wichtiger Aspekt, Schüler*innen sich selbst bzw. der Verantwortung der Gleichaltrigen zu überlassen.
Seine Kollegin Saskia Lehmann vom Otto-Hahn-Gymnasium in Böblingen freut sich wie Holderried auf weitere MUNOG-Konferenzen. Sie plant bereits eine Werbeaktion an ihrer Schule für die nächste Simulation. Wie fruchtbar die langjährige Zusammenarbeit aussehen kann, zeigt das Beispiel des Andreae-Gymnasiums in Herrenberg, wo Evelyn Neusius seit langen Jahren Schülerinnen und Schüler vorbereitet und so die MUNOG-Konferenzen mitprägte. Dieses Jahr schmieden die Teilnehmer*innen mit den GGSlern schon Pläne für eine noch engere Verzahnung bei der Vorbereitung der Delegierten.
Nach MUNOG ist vor MUNOG! So lautet das jährliche Motto am Goldberg-Gymnasium in der MUNOG-Community und in diesem Sinne freuen sich die Mitglieder des Organisationsteams, allen voran die zukünftige Generalsekretärin Anastasia Ristovski, auf MUNOG 2022, das dann hoffentlich auch wieder unter Beteiligung internationaler und regionaler Gäste stattfinden wird.
Verena Kiemes